Das Ende

Nach der (fast) Besteigung des Huayna Potosi war irgendwie die Luft raus. Ich war komplett ausgelaugt und hatte nun auch eine Erkältung. Aber das Wetter war so gut in La Paz, dass ich raus musste und hab mir so die Stadt ein bisschen angeschaut. Ich bin ins Zentrum und hab mich durch die Strassen treiben lassen, denn richtig zu sehen gibt es in La Paz nichts. Das einzige Highlight sind die Seilbahnen, die man bei uns in den Skigebieten findet aber in La Paz sind sie öffentliche Verkehrsmittel (sind auch von Doppelmayer). Die Stadt ist einfach komplett in ein Bergtal hineingebaut und um die Hänge besser hoch zu kommen, gibt es die Seilbahnen. Also habe ich mich in eine gesetzt und bin rumgefahren bis ich an einem schönen Aussichtspunkt war. Tja, nach diesem Ausflug hab ich mich wieder ins Hostel zurück gezogen und überlegt, was ich als nächstes anstellen könnte, denn Wanderungen und Berge besteigen war abgeschlossen. 

Zu meiner allgemeinen Laune kamen meine anhaltenden Magenprobleme - das Essen in Bolivien ist einfach Horror. Nach einigen Recherchen habe ich mich für Coroico entschieden und bin am nächsten Tag dorthin gefahren - mühsamst mit 2 verschiedenen Bussen. Aber dort hat es mir überhaupt nicht gefallen und mir wurde immer mehr klar, dass ich an einen Ort wollte, wo ich langsam meine Reise ausklingen lassen kann. Nach einer Nacht in Coroico und einem furchtbaren Morgen (ich bin frühstücken gegangen und dort wollten die mich komplett abzocken), hab ich spontan beschlossen, zurück nach Sucre zu fahren. Dort hat es mir von Anfang an gefallen, das Wetter ist warm und ich konnte die Zeit sinnvoll nutzen und mein Spanisch aufbessern. Also hab ich mir die Tortur angetan und bin zurück nach La Paz und von dort über Nacht mit dem Bus nach Sucre.

Und wie nicht anders erwartet hat es mir super gut getan dort zurück zu sein und ich hab mich von Anfang an wieder wohlgefühlt. Als erstes hab ich mir also meinen Spanischunterricht organisiert und als zweites eine gute Laufroute. Das ganze hat mich super an Cali erinnert - nur anstatt Salsa lerne ich weiter Spanisch. Ich hatte eine tolle Woche dort mit Laufen am Morgen, Sonnen und Hausaufgaben machen zu Mittag und am späten Nachmittag Spanischunterricht. Die Abende habe ich meistens alleine verbracht mit Lesen und alles Verarbeiten was überhaupt so passiert ist in den letzten Wochen und Monaten. Ein paar nette Leute sind mir natürlich auch dort über den Weg gelaufen aber ich hatte immer wieder das Gefühl mich zurückziehen zu wollen. 

Am Samstag kam dann die super grosse Überraschung weil auf einmal Mitch und Marie (ich habe mit ihnen beim Projekt in Huarmey gearbeitet) in meinem Hostel auftauchten. Sie wussten weder dass ich in Sucre bin, geschweige denn in diesem Hostel - umgedreht das Gleiche… ich wusste nicht mal, dass sie in Bolivien sind. Wie nicht anders zu erwarten war, haben wir die Abende gemeinsam verbracht, denn schliesslich hatten wir uns einiges zu erzählen. 
Die Zeit in Sucre verging super schnell und so war die Zeit gekommen weiterzuziehen - mittlerweile war mein Rückflug nur mehr eine Woche entfernt und ich hatte noch eine gute Strecke zurückzulegen bis Foz do Iguaçu. 

So startete ich meine letzte grosse Reise (die wiederum sehr abenteuerlich werden würde) in Richtung Asuncion in Paraguay. Zuerst musste ich über Nacht in 12 Stunden nach Santa Cruz fahren. Was für eine Fahrt… die Kurven, die Schotterpisten und der Bus selber waren hart zu ertragen. Immer wieder bin ich aufgewacht weil es mich so durch geschüttelt hat. Aber zumindest war er pünktlich in Santa Cruz, was mir nicht sehr viel gebracht hat, weil ich bis 7 Uhr abends auf den nächsten Horrorbus warten musste. Da ich nicht mehr viele Bolivianos übrig hatte und auch nichts mehr abheben wollte, hab ich den Tag am Terminal verbracht mit Lesen, Herumschlendern und Essen… Tage können unglaublich lang sein. Aber in Santa Cruz kann man auch nichts verpassen weil es eine fürchterliche Stadt sein soll. Irgendwann war es aber doch soweit und ich stieg in den Bus von 1902 in Richtung Paraguay. Das erste war eine Polizeikontrolle bei der man die Gelbfieberimpfung vorweisen musste… sonst durfte man entweder zu Hause bleiben oder bezahlen. Nach dieser Kontrolle ging es endlich los in Richtung Grenze - wir wurden die ganze Nacht ordentlich durchgeschüttelt aber ich war so müde, dass ich nur einmal aufgewacht bin weil der Bus eine einzige Staubwolke war und ich etwas vor das Gesicht machen musste um zu atmen und weiterschlafen zu können. Um 6 Uhr morgens waren wir endlich an der Grenze und dort durfte ich meine strengste und längste Kontrolle in ganz Südamerika mitmachen. Sie haben das ganze Gepäck durchgesucht und auch den Bus komplett auseinander genommen. Es hat ewig gedauert… irgendwann sind wir dann weitergefahren. Die Fahrt durch den Chaco (so heisst die Steppengegend in Paraguay) war sehr trostlos und ausser gerodeten Waldflächen voll mit Rindern und den dazugehörigen Estancias war nicht viel zu sehen. Nur manchmal konnten wir leider die unvorstellbare Armut in den Landgegenden beobachten. Die Menschen leben in Holzhütten und Zeltverschlägen… ein richtiges Haus ist nur wenigen da draussen vorbehalten und man sieht erstaunlich viele Pferdekarren. 14 Stunden nach der Grenzüberquerung waren wir in Asuncion angekommen. Von der ganzen Armut der Landregion rein in die Grossstadt mit europäischem Flair (nur auf den ersten Blick). Einige Leute haben mit erzählt wie schlimm Asuncion sein soll und so war ich mehr als skeptisch als ich ankam aber ich war von Anfang an positiv überrascht weil die Menschen unglaublich freundlich sind und die Busse haben Nummern… so, war es super leicht zum Hostel zu kommen. Das Hostel war sehr nett und so hat meine Asuncion-Erfahrung positiv angefangen. Die nächsten beide Tage habe ich in einem Künstlerort in der Nähe von Asuncion sowie im Stadtzentrum verbracht und ich kann die Abneigung gegen diese Stadt absolut nicht verstehen… ja, sie ist sehr südamerikanisch aber die Freundlichkeit der Menschen macht das eindeutig wett. Nach 3 Nächten habe ich aber trotzdem beschlossen meine letzte Busfahrt anzutreten und meine Zeit bis zum Abflug in Foz do Iguazu zu verbringen. Die letzte Fahrt war noch einmal sehr bequem und so bin ich am Abend gut in Brasilien angekommen.

Nun ist es also soweit - nach 14 Monaten in 12 verschiedenen Ländern (manche sehr ausgedehnt, manche kürzer) geht diese unglaubliche Reise zu Ende. 11 Flüge, 18 Boote, 1 Auto, viele geliehene Roller, 90 grosse Busfahrten und viele kleine Busfahrten haben mich von Land zu Land und durch die verschiedenen Länder gebracht und haben nicht nur meine Geduld strapaziert sondern mir auch unglaubliche Landschaften gezeigt. Das Wichtigste inmitten der ganzen Eindrücke sind aber die Menschen und Freunde, die mich begleitet haben, die mir den Weg gezeigt haben und die ich kennenlernen durfte. Manche kannte ich schon vor der Reise aber die meisten haben meinen Weg gekreuzt und sind nun zu Freunden geworden und ich kann nur hoffen, dass ich einige jemals wiedersehen werde. 

Ich habe keine Ahnung welches Land mein Favorit ist - in jedem Land hab ich einzigartige Momente erlebt und unglaubliche Sachen gesehen. Aber natürlich gab es auch in jedem Land etwas nicht so Schönes, was mich entweder traurig gemacht hat oder mir das Leben erschwert hat.

Nun aber zur wichtigsten Frage, was ich alles gelernt habe: Da weiss ich gar nicht so recht wo ich anfangen soll… Spanisch, Salsa und auf alle Fälle bin ich um 100% geduldiger geworden und habe mit eigenen Augen gesehen, wie privilegiert wir sind, in Europa aufwachsen zu können. Für uns ist Bildung, ein warmes Haus in kalten Jahreszeiten, Hilfe in finanziell schwierigen Zeiten, Kleidung und noch vieles mehr selbstverständlich. Wir haben die Chance aus unserem Leben etwas zu machen und aus der sozialen Schicht aus der wir kommen, auszubrechen…. in den Ländern in denen ich nun herum gereist bin, ist das alles aber nicht selbstverständlich und manche Menschen bekommen nicht mal eine Chance. Nichtsdestotrotz habe ich viel mehr freundliche Gesichter pro Tag gesehen als in Europa - nie hat mir jemand verwehrt den Weg zu zeigen. Oft haben mich Menschen sogar bis zum Ziel begleitet weil es zu kompliziert gewesen wäre den Weg zu beschreiben. 

Nach all diesen Situationen habe ich vor allem gelernt dankbar zu sein für alles was ich erleben und sehen konnte und für jeden, der meinen Weg gekreuzt hat und auch dankbar für die kleinen Dinge im Leben zu sein, wie eine Busnummer, freundliche Taxifahrer, gutes Essen, eine gute Matratze, ein sauberes Bad, gutes Wetter, ohne Probleme am Ziel anzukommen und noch vieles mehr.

Was, ich glaube, am meisten genossen habe während der ganzen Zeit, war das Gefühl der kompletten Freiheit - wann immer ich wollte, konnte ich weiterziehen oder bleiben oder was auch immer und dieses Gefühl wird mir am prägendsten in Erinnerung bleiben!! Und ich denke, ich werde es auch am meisten vermissen.

Tja, und dann ist das noch das Thema der materiellen Sachen…. für so lange Zeit habe ich aus meinem Rucksack gelebt und ich habe nie etwas vermisst. Natürlich hält sich die Begeisterung in Grenzen immer wieder zu packen und nie richtig auszupacken aber super genervt war ich nie. 

Ganz selten hatte ich das Gefühl, neue Kleidung zu benötigen aber wenn ich dann in einem Geschäft stand, hatte ich immer wieder dieselben Gedanken - brauche ich das wirklich? Als es dann ab und zu nötig war - um zum Beispiel wärmere Kleidung zu kaufen, hat es nicht mal Spass gemacht, denn im Endeffekt hiess es nur, mehr schleppen zu müssen oder lieb gewonnene Dinge loszuwerden.

So haben sich einige Dinge und Denkensweisen komplett verändert aber für mich persönlich sollte es auch so kommen…. genau deswegen bin ich losgezogen…. um komplette Freiheit, andere Kulturen und mich selber besser kennenzulernen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Und auf einmal wurde es still...

Guatemala Hurricane Relief mit All Hands and Hearts - Teil 1

Guatemala Hurricane Relief mit All Hands and Hearts - Teil 2