Was, wenn man einen Ort einfach nicht verlassen will

Zu allererst haben wir einfach mal beschlossen zu bleiben und unsere Zeit in Bukit Lawang zu geniessen. Wir haben am Fluss gechillt, sind in die umliegenden Dörfer gefahren um mal einen wirklich authentischen Eindruck vom Leben in Sumatra zu bekommen, sind den Fluss mit Reifen runter gefahren, sind auf die traditionellen Märkte gegangen und haben weiterhin musiziert. Während unserer Zeit in unserer Unterkunft haben wir uns auch enger mit den Leuten dort angefreundet und so wurde auch jede Aktivität von der "Touriattraktion" zur individuellen Erfahrung weil wir ja immer Einheimische dabei hatten.

Die Menschen in Sumatra haben wirklich nichts (um es einfach auszudrücken) aber machen einen dermassen zufriedenen Eindruck und verlieren nie das Lächeln in den Gesichtern. Die Häuser sind zum Teil nur Strohhütten und geschlafen wird am Lehmboden mit weder fliessend Wasser noch Strom - der Fluss ist das Badezimmer, die Waschmaschine sowie die Geschirrspülmaschine. Jeden Tag gibt es zumindest einen fetten Regenguss und was machen die Kinder? Sie ziehen sich bis auf die Unterhose aus und stürmen raus um im Regen zu tanzen, zu spielen und Blödsinn zu machen. Alle anderen schalten einfach einen Gang zurück und warten bis es aufhört zu regnen. Das konnten wir gut beobachten weil wir in ein Unwetter gekommen sind an einem der Tage. Man stellt sich unter, versucht mit den Hausbewohnern zu quatschen (hahahaha....) und wartet bis es aufhört.

Irgendwann in den 2 Wochen waren wir dann mit den Leuten im Guesthouse so gut befreundet, dass wir mehr Fragen stellen konnten über das wahre Leben und ich war eigentlich nur geschockt. Natürlich weiss ich wie es in der Dritten Welt zugeht aber es hautnah mitzuerleben ist dann doch etwas anderes. Ich weiss nicht wo ich anfangen soll das alles zu erzählen.... Fakt ist, dass nur die wenigsten in die Schule gehen dürfen obwohl sie kostenlos ist aber die Uniformen und die Schulbücher müssen von den Eltern bezahlt werden. Viele Eltern lassen die Kinder aber auch deswegen nicht in die Schule gehen, weil sie Angst haben dann keine "Lebensversicherung" mehr zu haben. Arbeiten müssen die meisten Männer/Jungs schon von klein auf um was beizusteuern und wenn sie irgendwann Glück haben können sie im Tourismus arbeiten aber verdienen trotzdem fast nichts - aber sie können zumindest ein bisschen raus aus deren Umfeld und bekommen so eine Chance (eventuell). Beschweren darf man sich nicht weil alles seinen Sinn hat - steht auch irgendwo im Koran oder so - im Gegenteil, man muss froh sein, dass man gesund ist und dass man Familie hat, denn schliesslich kommt und geht Geld aber Freunde, Familie, glücklich sein sind "Dinge" die man sich hart erarbeiten muss.

Indonesier wachsen auch sehr streng auf und achten immer auf die Höflichkeit gegenüber Älteren. Hält man die Regeln nicht ein bekommt man schnell einen schlechten Ruf und so auch keinen Job im Dorf weil jeder jeden kennt. Stellt man etwas an, wird man nicht nur selber bestraft sondern auch die Familie und gleichzeitig wird man verstossen. Soviel ich verstanden habe, geben vor allem Jungs deren Leben lang Geld an die Familie. Stirbt zB der Vater der Familie wird es für den Ältesten noch härter weil er muss auch die Mama mit ernähren und in der jetzigen Zeit sind die Mütter noch "vom alten Schlag" und haben so keine Ahnung wie man an Geld kommt.

Ich könnte darüber noch so viel mehr schreiben weil mich die Gespräche wirklich berührt haben und mich auch ab und zu traurig gemacht haben weil wir Europäer immer unzufrieden wirken hab ich mir sagen lassen (zumindest die, die nur kurz auf Urlaub sind). Und das obwohl wir so privilegiert aufwachsen und uns alles offen steht.

Naja, nun wieder zum wesentlichen - nachdem wir unsere Abreise 2x verschoben haben, kam dann doch der Tag. Am Vortag haben wir noch ein grosses Barbecue gemacht um den Abschied gebührend zu feiern. Es war echt toll und hat uns den Abschied nur noch schwerer gemacht aber schliesslich hatten wir ja einen tollen neuen Ort am Programm. Am späten Nachmittag ging die Reise los - zuerst mit einem kleinen Bus in die nächste grosse Stadt und dann mit dem Nachtbus nach Banda Aceh. Von dort mussten wir nur noch die Fähre auf die Insel Pulau We nehmen. Nach einer ziemlichen Tortur, die wir aber gewohnt sind, kamen wir an unserem neuen Paradise Place an. Nur leider war es kein Paradies - der Minibus brachte uns in die sogenannte "Touristenzone" wo man sich nicht nach den muslimischen Regeln kleiden musste. Wir waren echt verwirrt.... überall waren Warnschilder, wenn man sich nicht in der Touristenzone befindet und wie man sich verhalten soll. Eigentlich fühlten wir uns von der ersten Sekunde an nicht wohl. Die Einheimischen haben uns eher mit bösen Blicken gemustert und von Freundlichkeit hatten diese Menschen noch nie was gehört. Als wir in unserer Unterkunft angekommen waren, folgte der nächste Schock... "der Bungalow" war ja ok (wir sind ja schon einiges gewohnt) aber beim Badezimmer welches mit den anderen Gästen geteilt werden musste, hörte der Spass auf. Überall Fliegen und so dreckig, dass man Angst haben musste sich etwas zu holen. Also haben wir einen "Bungalow" mit Badezimmer genommen. Wir sprechen hier aber noch immer nicht von fliessendem Wasser oder anderen Annehmlichkeiten. Auch die Umgebung war nicht gerade die Schönste - auf einer Insel erwartet man sich kaum Erde als Boden und Müll überall. Einen Strand gab es auch weit und breit nicht. Natürlich muss ich zugeben, dass wir in den letzten Monaten sehr verwöhnt wurden was Inseln angeht aber trotzdem waren wir weit entfernt von jeglicher Schönheit.

Nichtsdestotrotz freute ich mich aufs tauchen weil deswegen war ich schliesslich dort. Die beiden Tauchgänge waren ok aber auch nichts besonderes. Korallen gibt es dort nicht mehr weil beim Tsunami von 2004 alles zerstört wurde - stattdessen siedeln sich Fische rund um Steinformationen an - das komische daran ist aber wieder, dass man sofort sieht, dass die Steine dort nicht hin gehören. Was so ein Tsunami auch unter Wasser anrichtet.... unglaublich....

Wir kamen also wieder mit gemischten Gefühlen zurück zur Unterkunft und noch immer fühlten wir uns nicht wohl....

Schon seit unserer Ankunft hatten wir 2 grosse Mitbewohner - Eidechsen, einmal in der Farbe grün und der andere war braun - eigentlich kein Problem, denn wir schliefen eh unter dem Moskitonetz. Ausserdem heisst Eidechse keine Spinnen :-)) Als zu den Eidechsen am Abend noch eine Ratte hinzukam und am Morgen ein Waran am Klodeckel sass, mussten wir nicht mehr lange überlegen.... wir wollen runter von der Insel!! Wir mussten nur noch entscheiden wohin es als nächstes gehen sollte. Nach einigen Diskussionen und hin und her überlegen haben wir uns dazu entschlossen wieder zurück nach Bukit Lawang zu gehen. Also haben wir die Fahrt wieder auf uns genommen. Als wir am nächsten Tag wieder von allen super herzlich empfangen wurden, waren wir uns sicher die absolut richtige Entscheidung getroffen zu haben.

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