Die verlorene Stadt

Mit einem Tag Verspätung sind wir in Kolumbien gelandet - wie oft habe ich mir schon gewünscht, dass ein Flieger eine krasse Verzögerung hat und nie ist es passiert. Aber genau wenn man parat für den Abflug ist kommt es mit Sicherheit anders.... irgendwie war ich krass genervt über diese Tatsache aber da man nichts machen konnte, haben wir die zusätzliche Nacht in Willemstad genossen - zumal sie ja komplett von der Airline übernommen wurde. Auf Kolumbien hab ich mich eigentlich seit meiner Abreise im Juni gefreut. Dann hab ich auch noch mit vielen anderen Reisenden über das Land geredet und jeder hat nur so geschwärmt von Kolumbien. Vielleicht könnte ich auch deshalb unsere Ankunft fast nicht mehr erwarten.

Als wir in Santa Marta an der Karibikküste angekommen sind mussten wir erstmal feststellen, dass sich Kolumbien in der Hochsaison befindet und somit Übernachten teurer ist als gedacht. Ausserdem war es mit spontanen Ideen erstmal Schluss. So kam es auch, dass wir 2 ganze Tage in Santa Marta verbringen mussten bevor wir den 4-tägigen Trek zur "Ciudad Perdida" starten konnten. Leider gibt es dort eigentlich nichts zu sehen ausser einem schönen Sonnenuntergang und man kann durch die Strassen schlendern und von Café zu Café hüpfen. Allgemein hat mich die Stadt mit ihrem Flair etwas an Ubud auf Bali erinnert. Geht man aber ein bisschen weg von der Touristenstrasse sieht man ganz klar die Armut und wie die Menschen erstaunt sind wenn sie Europäer sehen.... die Armut mit ihrem ganzen Ausmass war aber bereits am Weg von Barranquilla nach Santa Marta ganz klar zu sehen. Die Dörfer, die wir durchfahren haben mit unserem Bus, waren zugemüllt und mittendrin (wie immer) die Menschen in ihren kleinen Hütten. Die Menschen sehen aber nicht so abgebrüht aus wie in Brasilien zum Beispiel aber auch nicht so "zufrieden" wie in Indonesien - eher irgendetwas mittendrin.

Freitags ging es dann aber endlich los - um halb zehn am Morgen wurden wir von der Agentur abgeholt. Die Fahrt fing in einem grösseren Bus an, den wir aber bald in einen Geländewagen getauscht haben und von da an war unsere Gruppe auch klar: 1 belgisches Pärchen (David und Celine), 1 Kolumbianerin (Angie), 1 Deutscher (Lukas) und ein Pärchen bestehend aus Deutschland und Kolumbien (Sven und Diana) sowie Mel und ich - wir waren alle im selben Alter und wie sich herausstellen wird eine tolle, lustige und unschlagbare Truppe. Nach 1.5 Stunden wilder Fahrt hinein/hinauf in den Dschungel der Sierra Nevada, kamen wir in El Mamey an und bereits nach dem Mittagessen sowie einem kurzen Briefing von Ismahel (unser Guide für die nächsten Tage) fingen wir an zu wandern. Zuerst noch flach aber schon bald fing die Steigung an... Schritt für Schritt ging es hoch bis wir nach 2 Stunden am Treffpunkt für die Früchte ankamen. Von da an wussten wir was die nächsten 4 Tage auf uns zukommen wird - wir werden schwitzen als ständen wir unter der Dusche und wir werden uns langsam immer weiter mitten in die Sierra Nevada hinein vorarbeiten bis wir endlich am Ziel sind.... der restliche Teil der Wanderung war relativ einfach und so kamen wir nach weiteren 2 Stunden im Camp für die erste Nacht an. Wir haben Gott sei Dank relativ gemütliche Betten bekommen und so war nach dem köstlichen Abendessen bestehend aus Fisch und Reis nur mehr der Dschungel zu hören.

Tag 2 fing bereits um 5 Uhr an und nach dem Frühstück wartete die härteste Etappe auf uns: Nach den ersten 2 Stunden welche nur bergaufwärts waren gab es wieder Wassermelone um dann wieder nach unten laufen zu dürfen bis wir endlich im Camp für das Mittagessen angekommen waren - nach einem erfrischenden Bad im eiskalten Fluss sowie einem typischen, kolumbianischen Mittagessen ging es zuerst flach den Fluss entlang, dann über eine Brücke und schliesslich konnten wir mit dem härtesten Aufstieg beginnen - wieder ging es Schritt für Schritt nach oben bis nach 1.5 Stunden die nächste fruchtige Pause auf uns wartete. Wir alle waren schon ziemlich müde und nur mehr froh, wenn wir endlich im Hauptcamp ankommen werden - aber das dauerte noch weitere 2 Stunden die wir kontinuierlich auf und ab durch den Dschungel gelaufen sind. An einem Punkt dachten wir wirklich wir werden nie mehr ankommen.... zu allem Überfluss mussten wir auch noch einen Fluss durchqueren (wir waren bis zu den Oberschenkeln im Wasser) und dann ging es wieder bergauf und ich hatte die Schnauze voll. Jeder lief nun sein eigenes Tempo und so schimpften wir alle vor uns her bis wir dann das Camp endlich vor Augen hatten. Was für eine Erleichterung nach insgesamt 10 Stunden anzukommen.... das Camp war dem ersten sehr ähnlich mit Stockbetten, die aber nur ein bisschen überdacht waren und den öffentlichen Bereichen, die zum Essen und zusammensitzen gedacht waren. Trotz unserer Erschöpfung hatten wir genau an diesem Abend extrem viel Spass und mussten unglaublich viel lachen. Nichtsdestotrotz sind wir gegen halb acht ins Bett gefallen um für den Haupttag ausgeruht zu sein.

Tag 3 fing für unsere Gruppe bereits um halb 5 an weil wir wollten die ersten in der "Ciudad Perdida" sein und tatsächlich, pünktlich um halb 6 waren wir alle parat und gingen mit unseren Stirnlampen los. Es war noch dunkel und so waren wir die ersten 20 Minuten auf unsere Lampen angewiesen. Nachdem wir den Fluss wieder überquert hatten fingen bereits die 1200 Stufen an - genau, richtig gelesen - wir mussten tatsächlich 1200 unregelmässige Steinstufen hinauflaufen um unser Ziel zu erreichen. Da ich unbedingt eine der ersten sein wollte, fing ich an zu laufen.... im wahrsten Sinne des Wortes - nur Lukas und David haben mich überholt und so kam ich als Dritter oben an. Ich weiss wirklich nicht wo diese Energie auf einmal herkam aber ich war unglaublich froh sie gefunden zu haben. Nichtsdestotrotz kam ich durchgeschwitzt und etwas müde oben an aber das verflog gleich wieder als ich mich einmal im Kreis gedreht hatte und diesen magischen Ort auf mich wirken hab lassen. Da die verlorene Stadt sehr weitläufig ist und wir insgesamt nur 4 Personen waren am Anfang, war es echt möglich den Moment alleine zu geniessen. Nachdem wir uns auf einem tollen Aussichtspunkt platziert hatten, kam auch Mel angekeucht - mit demselben überwältigten Gesichtsausdruck wie ich Minuten vorher. Als dann auch Sven und Diana es geschafft hatten konnten wir anfangen es als Gruppe zu geniessen und dann fing unser Guide auch an die Geschichte hinter der "Ciudad Perdida" zu erzählen:

Gegründet wurde die Stadt anscheinend um 700 nach Christus und hatte eine Einwohnerzahl von ca. 4000. Das Teyunavolk hatte einen speziellen Totenkult wonach die Asche mit Gold und anderen Schmuckstücken im Center des Hauses vergraben wurde. Irgendwann haben die Teyuna angefangen mit den Spaniern Handel zu betreiben - inklusive mit deren Gold, was aber nicht 100%iges Gold war und als die Spanier das herausgefunden haben, fing natürlich der Krieg an. Da die Teyuna nur mit deren "natürlichen" Waffen gekämpft haben (sie haben giftige Schlangen und Frösche gefangen und mit dem Gift die Pfeile getränkt), die Spanier aber mit den normalen Waffen, waren die Teyuna bald fast ausgelöscht und so haben sie sich in ein anderes Dorf näher am Meer zurück gezogen. Sie haben sich einen neuen Namen gegeben (Goggis) und mit der Zeit ging die "Heimatstadt" in Vergessenheit - das alles ist bis ca. 1427 passiert. In den 70iger Jahren haben kolumbianische Cowboys durch Zufall die Urnen mit dem Gold gefunden und fingen an dies zu verkaufen und natürlich fing auch unter den Cowboys der Streit um das Gold und das Geld an. Irgendwann war das so schlimm, dass die Regierung einschritt und ein archäologisches Team in die Sierra Nevada schickte um zu überprüfen was das für ein Ort ist dort und so fand man die einstige Stadt der Teyuna wieder. Man brachte die ganzen Wertstücke in ein Museum in Bogota und gab den Goggis deren Territorium zurück. 1983 startete man dann langsam damit Touristen in die "Ciudad Perdida" zu bringen - über einen viel härteren Weg als jetzt - und mit der Zeit und immer mit dem Einverständnis der Goggis fing der Tourismus an zu wachsen.

Nachdem wir diese Geschichte gehört hatten machten wir noch ein paar Rundgänge und haben noch mehr über die Lebensweise der Goggis erfahren, die bis heute sehr traditionell ist. Und irgendwann mussten wir die 1200 Stufen wieder runterlaufen und nach dem Mittagessen fing auch der Rückweg in Richtung Schlafplätze an. Es dauerte ca. 3.5 Stunden und wenn man es genau nimmt, sind wir eigentlich hin geschwommen weil es wie aus Kübeln geschüttet hatte. Es war schon fast gefährlich bei diesem Wetter durch den Dschungel zu laufen aber schliesslich mussten wir ja irgendwie zurückkommen. Der letzte Tag dauerte auch noch einmal volle 6 Stunden bis wir zurück in El Mamey waren und startete wieder um 6 Uhr am Morgen. Als wir endlich beim Startpunkt ankamen waren wir heilfroh und mehr als erledigt und auch die Fusssohlen brannten. Das abschliessende Mittagessen war amüsant - natürlich - und wir hatten nochmal richtig viel Spass.

Für die Zeit nach diesem Abenteuer haben Mel und ich uns ein Hostel ein bisschen ausserhalb von Buritaca organisiert wo wir uns erholen konnten und vor allem unsere Wäsche waschen und trocknen konnten. Es wird einfach alles nass und feucht im Dschungel - vor allem wenn es regnet - und leider fängt das dann auch unangenehm zu riechen an und das dann wieder auf Vordermann zu bringen dauert einfach seine Zeit.

Abschliessend kann ich nur sagen, dass die Entscheidung den Trek zu machen, eine sehr sehr gute war. Da alle Parteien, die an diesem Trek verdienen sehr faire Löhne bekommen, ist der Preis mit COP 850'000 sehr hoch und so haben wir einen Tag gebraucht um uns dafür zu entscheiden. Gott sei Dank konnten wir den Preis um COP 50'000 runterhandeln....

Die ganze Umgebung ist nicht nur wunderschön sondern auch noch unglaublich interessant. Wie bereits erwähnt, die "Ciudad Perdida" ist erst seit knapp 30 Jahren zugänglich und so war es für mich noch aufregender weil es einfach "frische Geschichte" ist.

Dazu kommt, dass dieser Teil von Kolumbien erst seit kurzer Zeit so ungefährlich und einfach zu bereisen ist. Bis vor einigen Jahren waren hier überall Guerillas und es fand ein unerbittlicher Kampf um das weisse Gold statt. Im Moment allerdings ist er friedlich und wenn man mit Einheimischen spricht, wird einem die Erleichterung über die Veränderung bewusst.

Die nächsten Tage werden wir uns nun auf den Weg nach Punta Gallina machen - der nördlichste Punkt Südamerikas. Da wir alles selber organisieren, wird es hoffentlich etwas aufregend werden bis wir in der Wüste Kolumbiens angekommen sind.....

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