Regenzeit in Ecuador

Nach 9 Monaten war ich endlich in den Anden angekommen - mich sollten unglaubliche Höhen und traumhafte Landschaften erwarten und wieder eine neue Kultur, eine andere Sorte Mensch und eine andere Bauweise. Als Mel und ich damals unsere Route festgelegt haben, haben wir natürlich die Regenzeit in den Anden bedacht - deshalb auch der Flug in den Amazonas um dann wieder von Norden nach Süden zu reisen. Im Laufe der Zeit habe ich das aber vollkommen vergessen und so war ich mehr als geschockt als ich in Quito ankam und die Temperaturen spürte und merkte, dass es jeden Tag regnen wird und das ab den Mittagsstunden.

Die Reise von Cali bis nach Quito dauerte insgesamt 21 Stunden und war relativ problemlos - zuerst führte mich mein Weg über Nacht nach Pasto wo ich den Bus wechselte und bis zur Grenze nach Ipiales fuhr. Ein Taxi brachte mich zur Grenze wo ich die ganzen Formalitäten in einer Stunde erledigt hatte. Dann ging es mit dem nächsten Taxi zum Terminal von Tulcan wo ich prompt in den Bus nach Quito verfrachtet wurde. Bernhard hatte mir noch von den ecuadorianischen Busfahrten erzählt und ich dachte ich kenne das von Kolumbien - falsch gedacht. Anstatt Actionfilmen werden Horrorfilme gezeigt und statt angenehmen Temperaturen war ich nun in einem Kühlschrank. Nicht dass es draussen nicht schon kalt genug gewesen wäre. In diesem Punkt war Kolumbien also harmlos.

Angekommen in Quito habe ich Colin wieder getroffen - wir haben das vereinbart um seinen 30igsten Geburtstag zu feiern... die erste Nacht war also ganz im Zeichen von Party. Nichtsdestotrotz bin ich am nächsten Tag zeitig aufgestanden um die Tour durch Quito mitzumachen - sie war super cool. Ich habe nicht nur einen Eindruck vom historischen Zentrum mit ihren Kirchen bekommen, sondern wir haben auch eine Menge Snacks probiert und zum Abschluss haben wir noch die Herstellung von Schokolade (inkl Verkostung) demonstriert bekommen.

Das Highlight von Quito kam aber erst am nächsten Tag - wir sind mit der Seilbahn auf 4000 Höhenmeter gefahren (Quito liegt auf 2800 Höhenmeter) um eine kleine, gemütliche Wanderung zu starten. Als wir an einer Kreuzung ankamen, haben wir 2 Ecuadorianer getroffen die am Weg zum Pichincha waren - nach einem kurzen Smalltalk haben wir uns ihnen angeschlossen ohne zu wissen, dass wir bis auf 4800 Höhenmeter gehen würden. Wir fingen an gemeinsam zu laufen, zu quatschen und mit der Zeit merkten wir die Höhe immer mehr. Unser Herz pochte von der Anstrengung und umso höher wir kamen, umso mehr Pausen brauchten wir. Nachdem wir den Wanderweg verlassen hatten, mussten wir uns einige Zeit über steiles Geländes durch Schnee und Match hoch kämpfen bis wir endlich den letzten Teil der Wanderung erreicht hatten. Vor uns lag nur noch eine kleine Steilwand, die wir hochkletterten und nach 15 Minuten waren wir am Ziel angekommen. Leider waren wir mittlerweile in dicken Nebel eingehüllt (gemerkt haben wir das erst als wir die Aussicht geniessen wollten aber keine hatten). Als es nun auch langsam anfing zu schneien, machten wir uns wieder auf den Rückweg.... voller Stolz weil wir echt auf 4800 Höhenmeter gesessen sind.

Nun war es wieder Zeit weiterzuziehen - ich denke, in Quito kann man eine Woche verbringen ohne dass einem die Aktivitäten ausgehen aber da ich nun lange genug in Grossstädten verbracht hatte, wollte ich endlich wieder raus in die Natur. Also war mein nächster Stopp der Nationalpark rund um den Cotopaxi-Vulkan. Leider kann man ihn im Moment nicht besteigen weil er erst im Jahr 2015 aktiv gewesen ist. Aber allein der Blick auf diesen komplett perfekt geformten Vulkan ist atemberaubend - in einem Buch hab ich gelesen, dass er sogar perfekter ist als Mount Fuji in Japan. Dass man Cotopaxi nicht besteigen kann heisst aber nicht, dass es nicht genügend andere Gipfel in dieser Region gibt. Ich hab mich für Pasochoa mit 4220 Höhenmeter entschieden. Das Hostel, welches ich gebucht hatte, lag bereits auf 3500 Höhenmeter und um uns zu akklimatisieren und um uns auf die Wanderung am nächsten Tag vorzubereiten, haben wir kurz nach unserer Ankunft eine 2-stündige Wanderung zu 3 Wasserfällen gemacht - im strömenden Regen. Es war kalt und ungemütlich aber doch auch toll und im Laufe der Zeit wurde der Regen weniger aber Cotopaxi war leider in dicke Wolken eingehüllt. Ich denke, wir wurden etwas für unser Durchhaltevermögen bei der Regenwanderung belohnt weil am nächsten Morgen schien auf einmal die Sonne und Cotopaxi präsentierte sich von seiner schönsten und atemberaubendsten Seite. Nachdem wir gefrühstückt hatten und den schönen Berg genügend angehimmelt hatten, ging es los.... 700 Höhenmeter lagen vor uns - nur - aber die sollten es absolut in sich haben.

Angefangen hat es relativ harmlos mit einem Wanderweg durch den angrenzenden Wald, immer schön bergauf und noch waren wir alle schnellen Schrittes unterwegs. Nach dem Waldstück ging es relativ gemütlich durch eine Wiesenlandschaft und nun sahen wir auch langsam welchen Gipfel wir erklimmen werden. Der nächste Abschnitt ging bergab - wir überquerten einen kleinen Fluss und nun kam der harte Teil.... es ging steil bergauf, durch einen Wald und im grössten Match. Wir kämpften uns langsam nach oben und die meiste Zeit benötigten wir sogar unsere Hände um uns über das Gelände hochzuziehen. Das Schwierige war aber, dass die Luft echt immer dünner wurde und mein Herz pochte wie verrückt. Nachdem wir auch diesen Abschnitt gemeistert hatten, mussten wir nur noch über ein paar Felsen klettern und den letzten Aufstieg hinter uns bringen. Die Aussicht von unserem Ziel war einmalig und dank dem anhaltenden guten Wetter konnten wir bis Quito schauen. In der Regenzeit war so ein Tag Mangelware - normalerweise regnet es schon ab Mittag und die Wolken verziehen sich eigentlich nie. Wir hatten aber so viel Glück an dem Tag, dass wir sogar schwitzten beim Aufstieg und der Regen fing auch ungewöhnlich spät an - so haben wir es fast trocken nach Hause geschafft. Unsere Jause am Gipfel verschlangen wir natürlich mit dem grössten Genuss und als wir alle gestärkt waren, fingen wir mit dem rutschigen Abstieg an und jeder von uns 8 ist mindestens einmal ausgerutscht.

Nach insgesamt 6 Stunden waren wir wieder am Ausgangspunkt angekommen aber extrem erschöpft.... der restliche Tag wurde also vorm Kamin mit Buch und Tee verbracht.

Nach 3 Tagen im Nationalpark rund um Cotopaxi, ging die Reise nach Otavalo weiter - bekannt ist der Ort für den grössten, traditionellen Markt Südamerikas und wenn nicht Regenzeit wäre, könnte man auch wunderschöne Wanderungen machen. Ich musste mich allerdings zuerst mal mit dem Problemchen beschäftigen, dass der Transfer vom Hostel meinen Rucksack verloren hatte. Wie sich rausstellte hat man einfach vergessen ihn aufzuladen und so war er noch im Hostel. Ich bin mir sicher, dass ich in Kolumbien nicht so streiten hätte müssen um meinen Rucksack wieder zu bekommen - aber hier hat mich das einiges an Energie gekostet. Nach über einer Stunde hatte ich meinen Rucksack wieder und ich konnte die Reise nach Otavalo fortsetzen.

Der nächste Tag stand ganz im Zeichen von Shopping und meine Mission war vor allem warmes Zeug zu kaufen, damit ich nicht mehr frieren muss. Gleich am Vormittag hab ich Colin wieder getroffen und wir sind gemeinsam durch den riesigen Markt geschlendert. Zu Mittag ist dann das nächste Unglück passiert - während ich einen Bekannten zum Wiedersehen umarmt habe, wurde mir meine Brieftasche mit 120 Dollar und meiner Kreditkarte geklaut. War ich vielleicht genervt - fast 3 Monate bin ich mehr als leichtsinnig durch Kolumbien gehüpft und nichts ist passiert.... naja, die Kreditkarte war schnell gesperrt aber an dem Geldverlust werde ich noch ein bisschen zum Knabbern haben. Nichtsdestotrotz war der Tag sehr erfolgreich und wie immer hatten wir eine Menge Spass zusammen. Was noch sehr schön zu sehen war, waren die ganzen traditionellen Gewänder der Otavaleños.... leider sind sie sehr reserviert und so hatte ich keine Gelegenheit mehr über die Traditionen herauszufinden. Aber gut, man kann leider nicht überall so viel Offenheit wie in Kolumbien erwarten.

Die erste Woche in Ecuador ist also schon wieder vorbei - leider werde ich immer wieder an den riesigen Unterschied zu Kolumbien erinnert aber fest steht, dass die Landschaft unglaublich schön ist hier. Die Anden mit ihren Höhen sind einfach atemberaubend und ich freue mich schon jetzt auf mehr Wanderungen aber vor allem hoffe ich, freundlichere Ecuadorianer zu treffen - vorzugsweise welche, die weder mein Hab und Gut verlieren noch mich beklauen.

In ein paar Tagen bekomme ich aber auch wieder österreichische Verstärkung - Melanie kommt von den Galapagos Inseln zurück und wir werden unsere Reise durch Südamerika wieder gemeinsam fortsetzen....

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