All Hands Peru Flood Response

Eines steht fest - die Zeit vergeht wie im Flug und 4 Wochen harte Arbeit in Huarmey sind vorbei. Nichtsdestotrotz werde ich die Zeit nie vergessen, denn sie hat mir so viel über die andere Seite der Welt/des Lebens gelernt. Die Zeit dort hat mir nicht nur wieder vor Augen geführt wie unglaublich privilegiert wir in Sachen Wohnraum sind sondern auch wie einfach unser Leben ist im Vergleich. Nun aber von vorne:

Von Lima sind wir mit dem Bus in Richtung Chimbote los gestartet und sind nach 5 Stunden in Huarmey angekommen. Unser erster Eindruck war heiss, staubig und dreckig - Huarmey liegt zwar am Meer aber da die gesamte Küstenregion in Peru aus Wüste besteht, war klar dass uns genau das erwarten wird. Ein TukTuk brachte uns zur Basis und von da an wurde alles Realität. Wir wurden herzlichst empfangen und nach einem kurzen Rundgang stand auch schon das erste Meeting mit Arbeitseinteilung für den nächsten Tag am Programm. Das schockierende an unserem ersten Meeting war aber die Tatsache, dass in der vorigen Nacht das Camp überfallen wurde und ein paar Volunteers wurden sogar mit einer Waffe bedroht. Nachdem wir ein paar Mal geschluckt und uns die restlichen Details angehört hatten, fingen wir dann doch an zu überlegen - krasse Sache. Gott sei Dank konnte man via GPS eines der gestohlenen Handys wenigstens die elektronischen Geräte ausfindig machen. Aber die gestohlenen Kleider oder Rucksäcke wurden nie wieder gefunden. Da die Basis nach dem Vorfall unter ständiger polizeilicher Überwachung stand, kamen auch keine Zweifel auf ob man das Projekt verlassen sollte oder nicht.

Nach dem Abendessen haben wir dann unser Lager aufgeschlagen und uns häuslich eingerichtet - 1 Monat schliefen wir auf einem Fliesenboden mit Luftmatratze, hatten nur kaltes Wasser mit eher eingeschränkter Sauberkeit und bekamen zu spüren was das alles heisst in Verbindung mit körperlichen Schmerzen.

Unser Tagesablauf
Unser Tag fing gegen 6 Uhr morgens an. Das Frühstück haben wir uns selber zubereitet - zur Verfügung gestellt bekamen wir Eier, Brot mit Butter und Marmelade sowie Haferflocken, Obst und natürlich Kaffee. Nachdem man einigermassen wach war ging es um 7:15 Uhr los mit dem beladen unseres Trucks. An Arbeitsmitteln hatten wir jede Menge Schaufeln, Schubkarren, Buschmesser, Sägen, Brecheisen und Vorschlaghammer zur Verfügung. Ausserdem durften wir natürlich nicht auf genügend Wasser und das Erste-Hilfe-Set vergessen. Um 7:30 Uhr ging es dann los zum Arbeitsplatz. Am Anfang hatten wir nur einen Laster aber nachdem das Team zu wachsen anfing, bekamen wir einen Zweiten. Normalerweise dauerte es bis ca. 8 Uhr bis wir zu arbeiten angefangen haben. Pausen konnten wir machen wann immer sie benötigt wurden und um 11:45 Uhr ging es zurück zur Basis zum Mittagessen. Nelson war unser Koch für Mittag und Abend und hat einfache peruanische Gerichte zubereitet. Es gab also jeden Tag Reis, Salat und Gemüse - sowie Fleisch, Linsen und Bohnen. Eine Menge Kohlenhydrate damit wir genügend Energie hatten. Nach dem Essen und Ausruhen ging es um 13 Uhr wieder zurück zur Arbeit. Die Hitze zu Mittag machte das Beginnen nach der Pause immer besonders schwer aber irgendjemand fand immer die Energie alle anderen zu motivieren. Um 16:30 war der harte Teil zu Ende und wir würden zurück zur Basis gebracht. Nach der absolut nötigen Dusche stand nur mehr das Meeting um 18 Uhr am Programm wo wir die Arbeit des Tages besprochen haben und die Teamleiter von den Fortschritten und Ereignissen erzählten. Im Anschluss haben wir noch die Arbeit für den nächsten Tag besprochen und gemeinsam zu Abend gegessen.

Normalerweise sind wir relativ früh ins Bett gegangen aber ab und zu sind wir noch ins Dorf gegangen oder sind zusammen gesessen. Viel Zeit für nächtliche Ausflüge war aber ohnehin nicht, denn um spätestens 20 Uhr musste man zu Hause sein und um 22 Uhr fing die Nachtruhe an.

Alles zusammen war es ein sehr strenger Ablauf und Zeitplan aber zwischen all dem kam eigentlich niemand zu kurz und die eine oder andere Verspätung war natürlich auch dabei.

Unsere knappe Freizeit
Viel hatten wir davon natürlich nicht, aber zwischen Arbeitsschluss und Meeting (wozu man auf keinen Fall zu spät kommen durfte) blieb etwas Zeit um Erledigungen zu machen oder einfach für sich zu sein. Und nach dem Meeting hatte man noch eine gute Stunde um etwas zu unternehmen. Einmal pro Woche sind wir also nach dem Meeting auswärts essen gegangen oder sind in die Stadt um verschiedenes Streetfood zu probieren. Auch der Markt war immer einen Besuch wert. Man konnte Säfte bestellen oder einfach Früchte einkaufen und herumschlendern.

Sonntag war unser freier Tag wo wir machen konnten was wir wollten. An ein paar Regeln mussten wir uns natürlich halten wie zum Beispiel bis spätestens 20 Uhr zu Hause zu sein. Aber ansonsten waren wir frei.... wir sind zum Strand und in umliegende Städte gefahren oder haben einfach nichts gemacht.

Dann war da natürlich noch die Gemeinschaft und so hat man die Abende oft gemeinsam ausklingen lassen oder in anderen Fällen haben wir was gemeinsam organisiert. Die Highlights waren Melanies und mein letzter Abend wo wir einen Guacamolewettbewerb gemacht haben mit Cuba Libres. Jeder hat sich super rein gehängt um die beste Guacamole zu machen. Nebenbei haben wir getrunken, gelacht und gequatscht. An einem anderen Abend haben ein paar Leute eine Talentshow organisiert. Neben dem üblichen Blödsinn waren echte Musiker dabei denen man mit Freude zugehört hat - zum Abschluss des Abends habe ich noch Salsastunden gegeben und jemand anderer hat Slacklining angeboten.

Tja, neben dem ganzen Trubel musste man natürlich genügend Schlaf und Zeit für sich selber finden - ich hatte so meine kleinen Probleme mit diesem Community-Life aber im Endeffekt konnte ich eine gute Balance finden.

Die Organisation
Um effizient voran zu kommen, benötigt es natürlich eine gute Organisation. Dan ist der Projektkoordinator und hat die verschiedenen Problemhäuser in eine Reihenfolge gebracht. Es gab also in der Regel 3-4 "Mudding-Gruppen", die die Häuser vom Schlamm befreien. Jede Gruppe hat einen Leiter und je nachdem wie viel Platz zum Arbeiten vorhanden ist, sind insgesamt von nur 3 Leuten bis zu 15 Leuten in den Gruppen. Eine weitere unserer Aufgaben ist es die Schulen vom Schimmel zu befreien damit die Kinder wieder in die Schule gehen können. Die sogenannte "Mold-Gruppe" befreit also zuerst die Wände von Farbe damit alles schnell trocknet um dann die schimmelbekämpfenden Chemikalien aufzusprühen. Eine andere Gruppe ist die "Demo-Gruppe" die zusammengefallene Häuser sicher machen für die "Mudding-Gruppen". Zu deren Aufgaben gehören Abriss und alles mögliche aufräumen damit man anfangen kann den Schlamm zu entfernen. Am Anfang war auch noch das Projekt um eine temporäre Schule zu bauen aktiv. Nachdem dies aber abgeschlossen war, wurde die Gruppe aufgelöst und so hatten wir mehr Leute für den Schlamm.

Wie bereits erwähnt haben wir im 18 Uhr Meeting die Arbeit vom Tag besprochen und die Gruppen für den nächsten Tag eingeteilt. Dan hat jeweils die Teamleiter den Häusern oder Schulen zugeteilt und die restlichen Leute haben sich selber bei den Gruppen eingeschrieben.

3 der Anwesenden sind am Vormittag immer zurück geblieben und haben die Basis geputzt und am Nachmittag wurden sie einfach dort eingeteilt wo sie gebraucht wurden.

Die Arbeit
Melanie und ich haben eigentlich die ganzen 4 Wochen Schlamm geschaufelt. Da ich bald zum Teamleiter wurde, hatte ich keine Wahl mehr und Melanie wollte eigentlich auch nirgends anders hin. Eigentlich ist es ziemlich einfach zusammengefasst: Es ist das härteste was wir jemals gemacht haben und in der ersten Woche haben unsere Körper von Kopf bis Fuss geschmerzt. Wenn das vorbei geht, wird man stark und man baut Muskeln auf und ist jeden Tag stolzer und stolzer auf sich selbst. Nichtsdestotrotz kommen immer wieder mal kleine Wehwehchen hinzu....

Das Team
Wir sind in der Basis bereits 5 Tage nach Eröffnung angekommen und so waren wir am Anfang eine kleine Gruppe von 20 Leuten - die aber echt jeden Tag gewachsen ist bis wir das Limit von 50 erreicht hatten. Es gibt einige fix Angestellte aber die Mehrheit besteht aus Volunteers. Da All Hands eine amerikanische Organisation ist, sind natürlich viele aus den Staaten aber ansonsten ist es komplett international - von Kanada, Brasilien, Kolumbien, Argentinien, Grossbritannien, Irland, Spanien, Deutschland, Schweiz und Österreich bis hin zu Südafrika, Indien, Australien und Neuseeland. Auch von den Altersgruppen ist alles dabei - die jüngsten sind 18 bis 22 und die ältesten um die 60. Aber die meisten waren eher in unserem Alter von 25 bis 40. Dieser bunte Mix an Leuten macht das Zusammenleben sehr interessant aber auch schwierig. Wie überall gibt es Leute für die Feiern und Trinken am Wichtigsten ist und dann gibt es diejenigen, die Zeit für sich haben wollen. Ich persönlich habe wirklich einige Zeit gebraucht um meinen Rhythmus in diesem ganzen Trubel zu finden - denn 50 Leute an einem Fleck können sehr viel sein. Auch hatte ich das Gefühl, dass das Camp wie eine Blase ist, die uns vom richtigen Leben abschottet - weil es anscheinend zu gefährlich ist (obwohl ich dieses Gefühl nie hatte). Nachdem ich aber meine Balance zwischen Gruppe, raus gehen, für mich sein und genügend Schlaf bekommen, gefunden hatte konnte ich es mehr geniessen. Im Endeffekt haben wir sehr nette, liebenswerte und interessante Menschen kennengelernt die wie wir lange umherreisen und versuchen, raus aus den Hamsterrädern zu kommen aber vor allem hatten wir alle eines gemeinsam - wir wollen helfen und Gutes tun. Und diese Gemeinsamkeit hat uns durch die langen Arbeitstage und die 6-Tage-Woche gebracht und wann immer die Motivation gesunken ist, gab es eine Person die aus dem Nichts heraus den Rest der Gruppe so motiviert hat, dass am Ende des Tages viel Schlamm den Ort gewechselt hat.

Die Bevölkerung
Das ist ein schwieriger Absatz.... ich denke es gibt 2 Seiten davon. Die Einen sind unglaublich dankbar dass Hilfe von aussen kommt und beschenken einem mit Ceviche, Getränken, Keksen, Kuchen und anderen Köstlichkeiten während der Arbeit. Zu dieser Gruppe gehören auch die Marktdamen die einem Obst und Gemüse schenken oder Taxifahrer die nichts berechnen als Dankeschön. Die Grosszügigkeit ist unglaublich und war jedes Mal sehr überraschend für uns. Auch haben wir eine rührende Ansprache bekommen als wir ein Haus fertig ausgeräumt haben. Die Dame des Hauses war so dankbar, dass sie in Tränen ausgebrochen ist und wir auch - was für ein ergreifender Moment nach der ersten Woche. Sie war es auch die uns zum Mittagessen eingeladen hat und eines steht fest - diese Damen können kochen. Es ist auch vorgekommen, dass man während eines Spaziergangs durch die Stadt Applaus bekommen hat und positive Zurufe... die Liste liesse sich absolut fortführen und erweitern.

Dann ist da aber auch die andere Seite von Leuten denen wir leider nicht helfen können weil sie in der Prioritätenliste nicht ganz oben stehen - das kann sein weil sie jung und fit sind oder der Zustand des Hauses nicht schlimm genug ist. Das klingt natürlich grausam und auch ich habe etwas gebracht um das System zu verstehen aber im Endeffekt muss man zuerst alten Leuten helfen die selber nicht schaufeln können oder keine Hilfe von Kindern bekommen oder auch alleinstehenden Müttern. So hat man zum Beispiel Melanie und mir am Markt gesagt, dass wir das doppelte bezahlen sollen weil wir eh Geld haben als Weisse. Oder Nachbarn untereinander streiten und wir haben Probleme bekommen den Schlamm abzuladen obwohl die Stadt selber den Schlamm in regelmässigen Abständen aus der Stadt raus transportiert. Bei einem Haus ist der Streit so eskaliert, dass wir die Arbeit beenden mussten weil kein Frieden in Aussicht war. Als wir dann unsere Arbeitsmittel eingesammelt haben und bereit für den Ortswechsel waren, ist die Dame des Hauses in Tränen ausgebrochen weil der Streit und die Tatsache dass sie nun wieder warten muss zu viel für sie war. Das war eine der emotionalsten Situationen in die ich gekommen bin in den 4 Wochen im Projekt.

Fazit
Es war eine der bereicherndsten Erfahrungen die wir machen durften während unserer Reise. Wir haben so viel für unser Leben und unsere zukünftigen Handlungen lernen können und das ist das schönste Ergebnis was man bekommen kann. Nicht nur das Helfen in einem Katastrophengebiet ist prägend sondern auch das Leben dort und so können wir Peru nun mit anderen aber auch klareren Augen sehen. Denn eines steht fest: Manche Menschen in Huarmey haben alles verloren aber nicht die Fähigkeit zu lächeln und grosszügig sowie hoffnungsvoll zu sein. Zum Abschluss muss ich noch die Dame zitieren, die sich mit ihren Freundinnen gefragt hat woher diese Mädels wohl die körperliche Kraft für die Arbeit haben - wir kommen mit unserem Herzen und Gott gibt uns die Kraft dafür. Wahr oder nicht sei dahin gestellt aber auf alle Fälle war es ein weiterer unvergesslicher Moment.

Unter https://www.allhandsandhearts.org bekommt man mehr Informationen über die Organisation.

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