Patagonien Teil 2

Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir eine Woche gesucht haben bis wir gefunden haben was wir wollten. El Chalten sollte sich als die perfekte Wanderdestination herausstellen an welcher man nicht vorher die Geldtasche präsentieren muss um die Schönheit der Natur geniessen zu können. Dieses Mal haben wir allerdings ein schräges aber doch nettes Hostel gewählt - ein 19jähriger leitet das Hostel mit seinen Freunden und da hackt es schon mal an Organisation oder Sauberkeit aber dafür ist es günstig und die Atmosphäre stimmt. So haben wir auch ein paar sehr nette Bekanntschaften gemacht.

Bevor ich nun aber mit unserem Wanderbericht anfange, noch eine Erklärung am Rande: Man besteigt hier keine Gipfel sondern man wandert kilometerweit um diese berühmten Berggipfel sehen zu können - sie haben nämlich ungewöhnlich spitze Formen und werden von maximal 5 Personen pro Jahr erklettert und die meisten sterben dabei. Das soll aber nicht heissen, dass es einfach ist, denn manche Aussichtspunkte sind ziemlich schwer zu erklimmen.

Am ersten Tag ging es nun in Richtung Cerro Torre - bereits nach den ersten 3 Kilometern sollte man ihn sehen können aber leider war alles wolkenverhangen. Da unser Ziel aber eine Gletscherlagune war, sind wir weitere 6 Kilometer gelaufen bis wir dort angekommen waren. Die ganzen Wolken haben eine sehr einzigartige Stimmung erzeugt und so war es selbst ohne Aussicht auf den Cerro Torre wunderschön. Am Rückweg haben wir wieder bei dem ersten Aussichtspunkt halt gemacht weil wir wollten die Türme dringend sehen aber leider sollten wir kein Glück haben. Der erste Tag war also eher gemütlich und den Rest des Tages haben wir im Hostel verbracht und haben uns vor allem mit einem belgischen Pärchen angefreundet. Durch die ganzen Konversationen wurden wir so euphorisch mit dem Aufstieg in Richtung Fitz Roy (das Wahrzeichen von Patagonien), dass wir beschlossen haben das gute Wetter vom nächsten Tag auszunutzen und bereits um 7 Uhr morgens loszulaufen. Wir alle gingen super früh ins Bett aber leider konnte niemand schlafen weil wir so aufgeregt waren....

Um 6 Uhr morgens hat uns die Belgierin geweckt mit "Girls wake up, Fitz Roy is pink" und schon sind wir beide zum Fenster gestürmt und sahen die markante Steinformation im Sonnenaufgang.... Schnell haben wir Frühstück gemacht, unser Proviant eingepackt und um halb sieben sind wir vom Hostel los gelaufen. Die ersten 3 Stunden und 9 Kilometer waren einfach mit leichter Steigung aber auch immer wieder mit flachen Stücken und die Szenerie war atemberaubend. Nach eineinhalb Stunden haben wir bereits den ersten Aussichtspunkt erreicht und wir haben nur gestaunt wie schön dieser Berggipfel ist. Durch den frühen Aufbruch vom Hostel waren wir die ganze Strecke über allein oder mit maximal ein oder zwei Leuten am Weg. So konnten wir die verschiedenen Stationen umso mehr geniessen. Irgendwann kam dann natürlich der letzte Abschnitt welcher sehr steil und anspruchsvoll ist - einmal durchatmen und los ging es. Eine Stunde lang Schritt für Schritt die Steilwand hoch bis wir nur noch einen "kleinen Hügel" mit Geröll vor uns hatten bevor wir an der Laguna de los Tres ankamen. Der Ausblick hat für die Strapazen entschädigt und so waren wir überglücklich und sehr stolz dass wir das geschafft hatten. Wir haben uns gestärkt und uns ausgeruht und als der Touristenstrom anfing oben anzukommen, sind wir bereits am Rückweg gewesen - eine unglaubliche Genugtuung. An diesem Tag schienen wir unendliche Energie zu haben, also haben wir einen sehr langen Rückweg gewählt mit ca. 15 Kilometern Umweg. Für unsere Ausdauer wurden wir aber entschädigt, denn nach 3.5 Stunden wandern konnten wir nun auch endlich den Cerro Torre erblicken. Die letzten 5 Kilometer waren aber doch sehr anstrengend - Melanie hatte mittlerweile 2 Blasen am Fuss sowie Probleme mit Knöchel und Knie aber sie hat durchgehalten. Gott sei Dank war ich relativ fit (abgesehen von der Müdigkeit) und mit vereinten Kräften sind wir wieder heil im Hostel angekommen - nach insgesamt 10 Stunden.

Ein toller Tag ging mit lustigen Gesprächen und viel Gelächter zu Ende und für mich war klar, dass ich El Chalten mit den Bergen, den Wanderwegen, der Umgebung, der Abgeschiedenheit und unseren Erfolgen liebe.

Nun war es wieder Zeit für Entscheidungen und einer Idee wie es weitergehen soll.... als wir den Preis für das Busticket in Richtung argentinischem Norden sahen, war sofort klar, dass wir einen Alternativplan benötigen werden. Wir haben ein relativ günstiges Ticket für Los Antiguos gefunden - nur was sollen wir dort machen? Die beste und aufregendste Idee war dort über die Grenze nach Chile zu gehen und auf der chilenischen Seite langsam nach oben zu reisen. Im Hostel war ein deutsches Mädchen, die diese Route gemacht hatte und nur Gutes zu berichten hatte. Nach einigen Überlegungen war klar, dass der Plan wieder geändert wird und wir jetzt gleich nach Chile gehen.

Die Busfahrt von El Chalten nach Los Antiguos dauerte 10 Stunden und war wieder über Nacht. Ziemlich pünktlich sind wir am Zielort angekommen und nach einem schnellen Frühstück am Busbahnhof sind wir los gelaufen - zu Fuss - bis nach Chile Chico. Laut unseren eingeholten Informationen würden wir ca. eine Stunde für den Marsch benötigen.... so ein Blödsinn.... die argentinische Grenze haben wir erst nach 1 Stunde erreicht. Dann sind wir eine weitere Stunde bis zur chilenischen Grenze gelaufen und von dort sind wir dann per Anhalter weiter nach Chile Chico gefahren. Was für eine Tortur - 10 Kilometer mit 17 Kilo am Rücken sind eher nicht meine Lieblingsbeschäftigung aber Mel war dafür umso glücklicher weil sie endlich Staatsgrenzen zu Fuss überquert hat. Nichtsdestotrotz waren die letzten paar Kilometer im Auto eine Wohltat.

Chile Chico ist ein verschlafenes Dorf in wüstenähnlicher Umgebung wo man eigentlich nur einen Aussichtspunkt besuchen kann. Das Dorf wollte uns aber nicht so schnell weiterziehen lassen - denn am zweiten Tag unserer "Tramperkarriere" haben wir keine Mitfahrgelegenheit bekommen. Unser nächstes Ziel war Puerto Rio Tranquilo an der Carretera Austral - die Fahrt dauert 4.5 Stunden und führt durch eine traumhafte Landschaft aber ausschliesslich über Schotterstrassen. Nach einigen Stunden am Strassenrand haben wir aufgegeben und beschlossen uns einen schönen Sonntag zu machen. Nachdem es am nächsten Tag wieder nicht mit einer Mitfahrgelegenheit geklappt hat (unser Ziel war einfach zu weit entfernt), haben wir den Bus genommen. Am späten Nachmittag sind wir dann am nächsten verschlafenen und abgelegenen Ort angekommen. Tranquilo liegt am Zweitgrössten See in Südamerika namens Lago Carretera wo man die sogenannten Marmorhöhlen besichtigen kann. Das Wasser ist glasklar und die gesamte Bootsfahrt war wunderschön. Nach diesem gemütlichen Tag haben wir mit anderen Reisenden vorm Haus unserer Unterkunft Bier getrunken und einfach unsere Freiheit genossen. An diesem Abend haben wir dann auch noch spontan beschlossen länger in Tranquilo zu bleiben und eine Gletscherwanderung zu machen. Weder Mel noch ich haben jemals etwas ähnliches gemacht und so stand am nächsten Tag die nächste Premiere auf der Tagesordnung.

Mit der üblichen Verspätung sind wir am Treffpunkt für die Wanderung angekommen - kurze Registration und schon sassen wir in einem Minibus. Wir sind 1.5 Stunden durch das tiefste Patagonien gefahren bis wir angefangen haben zu Wandern. Es ging relativ gemütlich los, zuerst durch Wald und dann über riesige Felsen bis wir beim Gletscher Exploradores angekommen waren. Nach einer kurzen Pause und dem "montieren" der Steigeisen an unseren Schuhen ging es los. Wir sind die Eisdünen rauf und runter gewandert, in Höhlen hinein und natürlich wieder heraus um am Schluss in einem Meer aus Eis zu stehen und zu staunen. Es war beeindruckend und gleichzeitig einfach nur cool aber doch etwas anstrengend die Beine immer wieder ins Eis zu schlagen um genügend Halt zu bekommen. Als wir bereits wieder am Demontieren der Steigeisen waren, haben wir auf einmal einen extrem lauten Knall gehört - man hatte fast das Gefühl, dass wir jeden Moment einbrechen werden. Der Gletscher hatte sich einfach lautstark bewegt aber Gott sei Dank ohne Folgen für uns. Diese Wanderung hat mir ein weiteres Mal gezeigt wie sehr ich das Reisen liebe - egal wie schwierig es manchmal sein mag.... die Anstrengungen lohnen sich einfach. Der Tag verging natürlich super schnell und ehe wir uns umdrehen konnten sassen wir auch schon wieder am See bei einem Bier und haben diesen perfekten Tag ausklingen lassen.

Diesen Eintrag möchte ich aber nicht mit einer Vorschau auf die nächsten Tage abschliessen sondern mit den Menschen, die wir am Weg getroffen haben:
Da sind zum einen Karo und Floris aus Belgien mit denen wir eine super Zeit in El Chalten hatten - auch sie reisen durch Südamerika mit viel Zeit und viel Achtsamkeit. Sich so in eine Wanderung reinzusteigern, dass wir alle nicht mehr schlafen konnten, muss man zuerst mal schaffen.

In El Chalten haben wir auch noch Mariann aus Wales kennengelernt - sie ist bereits 66 Jahre aber unglaublich fit und geniesst jede einzelne Reise und mit Pauschalreisen kann man sie höchstens davon jagen .... ich hatte das Gefühl sie war schon überall und die Gespräche mit ihr werden mir am meisten in Erinnerung bleiben.

Jack (Ire) und Marina (Brasilianerin) haben wir auch in El Chalten getroffen - sie sind uns dann aber in Tranquilo wieder über den Weg gelaufen und im Endeffekt sind wir mit ihnen bis nach Coyhaique gefahren. Auch sie reisen durch Südamerika, im Moment mit Auto und später steigen sie auch auf öffentliche Verkehrsmittel um. Selten trifft man so warmherzige Menschen wie die beiden. Dann sind da noch Elisabeth und Hubert aus München - sie sind auch schon über 60 und sind in ihren 50igern für 3 Jahre durch die Meere gesegelt. Mit ihnen waren wir auf der Gletscherwanderung und haben unglaublich viel gelacht. Zu guter Letzt muss ich noch Caitleen aus Kalifornien erwähnen, da sie uns zur Gletscherwanderung angestiftet hat. Jack und Marina haben sie in Chile Chico aufgegabelt und so sind wir alle in der gleichen Unterkunft gelandet.

Ein paar Tage bleiben uns noch in Patagonien bevor es in einen ganzen anderen Teil von Südamerika geht....

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