Huayna Potosi - und wie ich an meine Grenze kam

Ich glaube es war im Januar als mir Colin von La Paz und dem Huayna Potosi mit seinen 6088m erzählt hat und irgendwie…. bei einem Bier (oder auch 2) in Rincon del Mar, haben wir beschlossen, dass dieser Berg unser Ziel sein wird. Lange dachte ich eigentlich, dass ich ihn mittendrin machen werde aber durch meinen Abstecher nach Valparaiso und dass ich dann über die Atacama Wüste nach Bolivien gereist bin, war es auf einmal mein finaler Berg - somit habe ich meine Reise auf 6000m - zumindest symbolisch - abgeschlossen.

Am 18. Juli 2017 ging es also los und mein erster Schock hat nicht lange auf sich warten lassen - ich soll den Berg gemeinsam mit 4 Jungs besteigen… Cameron und Jacob aus Neuseeland, Shawn aus Australien und Robin aus den Niederlanden. Die beiden Neuseeländer waren 1.90m gross und erschreckend trainiert, die beiden anderen waren „normal“ aber trotzdem hat es mich verunsichert. Naja, so wie das so oft ist, soll man sich nie auf den ersten Eindruck verlassen, denn im Endeffekt waren wir eine tolle Truppe und jeder hat auf den anderen Acht gegeben. 
Nun aber zum wesentlichen: Bevor die Fahrt zum Basecamp losging, wurden wir erstmal richtig ausgestattet mit Skihose, Fleecejacke, Skijacke, Fleecemütze (wo nur mehr die Augen rausschauten), richtig warme Handschuhe, schneefeste Wanderschuhe, Klettereisen, Eispickel und Helm. Dann ging die Fahrt los und das dauerte natürlich - in Bolivien hat man nie die Uhr im Blick und so wurde während der Fahrt noch eingekauft, getankt usw. Gegen Mittag waren wir dann auf 4700m im Basecamp angekommen. Nach dem bolivianischen Essen mit Gemüsesuppe als Vorspeise und Reis (leider können sie den aber nicht zubereiten) mit Linsen machten wir uns parat für unser Eistraining. Wir wanderten ca. eine Stunde zum nächsten Gletscher und legten die Klettereisen an und dann ging es los. Die Eiswände hinauf und wieder hinunter bis wir vor unserem „Eisberg“ standen welchen wir mit Hilfe unseres Eispickels und unseren Klettereisen hochklettern mussten. Obwohl wir natürlich gesichert wurden, hatte ich Angst da ich es zum ersten Mal machen würde. Gott sei Dank lief alles wie am Schnürchen aber ein kleiner Adrenalinkick war es dennoch und so zitterten meine Hände im Anschluss ordentlich. Gut, das war also das Training - waren wir nun wirklich bereit den Huayna Potosi zu besteigen? Alle 5 hatten wir leichten Bammel aber uns gingen Gott sei Dank nie die Argumente aus warum wir das schaffen mussten….
Der Abend verging sehr schnell mit Abendessen und Karten spielen aber nichtsdestotrotz lagen wir alle um 10 Uhr in unseren Schlafsäcken. Unsere Gruppe hatte 2 Guides - Gonzalo und Adrian - und da ich das einzige Mädl in der Gruppe war, haben sie mir netterweise angeboten ein Einzelzimmer zu nehmen, was ich dankend abgelehnt habe weil alleine in einem Zimmer ist es immer kälter als zu fünft. 
Tag 2 fing sehr gemütlich mit einem ausgiebigen Frühstück an. Da wir die gesamte Ausrüstung selber tragen mussten, fingen wir im Anschluss gleich mit dem packen unserer Rucksäcke an. Nach dem Mittagessen machten wir uns dann auf den Weg zum Highcamp auf 5200m. Wie nicht anders zu erwarten war, ging es langsam voran. Schritt für Schritt wanderten wir hoch - zuerst noch in der Wärme aber dann kam auch schon die Felswand, die natürlich sehr steil und zum Teil auch mit Schnee bedeckt war. Gott, ich hatte echt ein mulmiges Gefühl ohne die Klettereisen aber da musste ich natürlich durch. Umso mehr hab ich mich über die Seile zum einhalten gefreut für die letzten Meter. Nach 2.5 Stunden hatte ich mein Ziel des Tages erreicht und konnte den atemberaubenden Blick geniessen. Wir 5 stiessen mit Cocatee an und beobachteten den Sonnenuntergang - tja, das Leben kann zwar hart aber auch so wunderschön sein. Der Abend gehörte dann zu den harten Teilen, denn es wurde bitterkalt und so habe ich meine Suppe und mein Sojafleisch im Schlafsack eingenommen. Ein paar Tassen Tee mussten natürlich sein, was aber leider auch dazu führte, dass wir wieder raus in die Kälte zu unserer Freilufttoilette mussten. Die Unterkunft für diese Nacht waren Matratzen auf dem Boden in einem kleinen Holzhäuschen. Es war sehr klein aber so konnten wir das Häuschen wenigstens ein bisschen heizen. Nach dem Abendessen bekamen wir noch den Ablauf für den Aufstieg erklärt und um 19 Uhr lagen wir alle im Schlafsack und versuchten so viel Schlaf wie möglich zu bekommen - bis Mitternacht.
Um 00:15 Uhr wurden wir geweckt und machten uns fertig: Leggings und Skihose, 3 Paar Socken in den Wanderschuhen, 2 Shirts unter der ersten Fleecejacke, normale Mütze unter Helm mit Stirnlampe, 1 Paar Handschuhe, Klettereisen an den Sohlen, Eispickel in der rechten und Sicherungsseil in der linken Hand und nach einem kleinem Frühstück mit Cocatee ging der Aufstieg um 1:30 Uhr los. Es hiess, wir sollten am Oberkörper noch nicht alle Schichten tragen weil es kälter wird mit der Zeit. Also packte ich meine zweite Fleecejacke sowie die Skijacke, die wärmere Mütze und das zweite Paar Handschuhe in meinen kleinen Rucksack und in luftigeren Höhen habe ich jedes einzelne zusätzliche Stück Kleidung gebraucht. Gonzalo ging voran, dann ich, dann Cameron und zum Abschluss Jacob - Shawn und Robin wurden mit Adrian verbunden und wanderten hinter uns. Wir fingen pünktlich mit dem Aufstieg an - am Anfang konnten wir den unglaublichen Sternenhimmel noch geniessen und wir waren sehr zuversichtlich obwohl es von Anfang an sehr steil bergauf ging. Gonzalo, Cameron, Jacob und ich waren auch mit dem Seil verbunden und so mussten sich die beiden Jungs an mein Tempo anpassen, was mir am Anfang echt ein komisches Gefühl beschert hat. Aber die beiden waren süss und haben immer wieder betont wie gut das Tempo passt etc. So sind wir langsam und stetig hoch marschiert. Alle 45 Minuten haben wir eine kleine Pause eingelegt und ab 5500m wurden wir wieder eine Spur langsamer, was aber nun nicht mehr an mir gelegen hat - sondern wir konnten einfach nicht schneller. Nun fing auch der Abschnitt mit den Eiswänden an - ich meisterte eigentlich alle mit Bravur, war aber froh, dass Gonzalo mit dem Seil ein bisschen geholfen hat. Als wir die Marke mit 5700m erreichten, fing für mich persönlich die Quälerei an…. die Luft ist dünn und dieses langsame „Schritt für Schritt hochgekämpfe“ nervte mich. Das Tempo wurde noch einen Tick langsamer und ich fing zu fluchen an. Nicht einmal der orange werdende Horizont konnte mich fröhlicher stimmen…. und schliesslich bei 5800m wollte ich aufgeben. Ich hatte einfach keine Lust mehr und meine Kraft war am Ende. Cameron und Jacob redeten sofort auf mich ein, dass wir doch jetzt nicht aufgeben aber irgendwie konnte ich nicht mehr. Also machten wir eine Pause und dann fing Gonzalo mit diesem Trick an - nur mehr um diese Kurve herum, siehst du die Lichter dort? bis dahin noch, etc. Also kämpfte ich mich weiter den Berg hoch. Langsam war auch die Sonne am Aufgehen und der Himmel wurde heller und heller - aber ich konnte es nicht einmal geniessen weil ich so mit mir kämpfte. Kurz bevor die Sonne herauskam, erreichten wir die 6000m und ich fing zu weinen an weil ich so fertig aber auch beeindruckt war über die Aussicht - wir blickten auf die gesamte Cordillera Real, auf den Titicacasee, auf La Paz und natürlich war der Gipfel des Huayna Potosi zum Greifen nahe. Cameron und Jacob waren „ready to climb“ aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich es noch schaffen würde - das war also meine Grenze. Also beschlossen wir, dass ich hier warte und den Sonnenaufgang geniesse und meine Toblerone essen würde. Schon nach 15 Minuten kam Adrian mit Shawn und Robin angewandert. Die beiden waren genauso fertig wie ich und hatten keine Kraft mehr für die letzten Meter. Ich schaute immer wieder zum Gipfel hoch und auf einmal glaubte ich, dass ich es doch schaffen könnte - also machte Adrian mich fertig für die letzten Meter. Nach der nächsten Eiswand war dann aber doch Schluss, mein Körper streikte und ich musste schliesslich aufgeben - 60m vor dem Ziel. Gott, ich war so enttäuscht von mir selber und so fing ich wieder zu weinen an. Nachdem ich mich beruhigt hatte, kletterte ich die Eiswand wieder runter und wartete auf Cameron und Jacob für den Abstieg. 
Der Abstieg war ziemlich erschreckend für uns alle - unglaublich wie steil wir hoch gewandert sind und vor allem wie weit. Es war echt grauenhaft das alles wieder runterzulaufen. Nach 2.5 Stunden waren wir wieder im Highcamp angekommen. Unglaublich oder? Man quält sich 5.5 Stunden hoch und benötigt nicht mal die Hälfte für den Rückweg. Im Camp haben wir eine gute Suppe bekommen und Tee und nach der kleinen Stärkung haben wir unseren Krempel zusammen gepackt und uns auf den Rückweg zum Basecamp gemacht. Diese 1.5 Stunden waren die reinste Qual weil wir alle 3 so erschöpft waren. Ich bin gleich 3 Mal ausgerutscht weil ich einfach keine Kraft mehr in meinen Beinen hatte. Irgendwann haben wir echt angefangen zu lachen weil wir nicht mal mehr richtig fähig waren zu reden….
Die Erleichterung war also gross, als wir endlich im Bus in Richtung La Paz sassen. Wie nicht anders zu erwarten war, haben wir tief und fest geschlafen bis wir im Zentrum aufgeweckt wurden.

Fazit: Es ist echt das Härteste was ich je gemacht habe und ich kann es mit nichts vergleichen. Die Höhe verändert den Körper - eigentlich denkt man ja, wo ein Wille ist da ist auch ein Weg. In diesem Fall kann man noch so viel Willensstärke haben - wenn man auf 6000m steht, sagt allein der Körper wo es langgeht. Ich bin mir nicht mal sicher ob es die Quälerei wert war, denn so richtig konnte ich die ganze Natur nicht geniessen. Vielleicht muss man aber auch besser trainiert sein - dann ist es keine Quälerei mehr, sondern Vergnügen? Ich weiss es nicht aber so schnell wird mich kein 6000er Berg mehr sehen - denke ich zumindest.

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